Der Alentejo ist das ländliche Herz Portugals. Die Region nimmt rund ein Drittel des Landes ein und bewegt mit alter Kultur, handgefertigtem Kunsthandwerk und einem entschleunigten Lebensstil. In den Weiten des Alentejo wird ein Großteil des portugiesischen Weins kultiviert. Und, besonders wichtig für die Gastronomie des Landes: auf den weiten Fläche fühlt sich das, meist in Freilandhaltung lebende, iberische Schwein pudelwohl.

Willkommens-Tisch in der Burrico d'Orada mit Rotwein, Weingläsern und Regionsinfo

Langsam ankommen

Unser sprichwörtliches Zelt schlagen wir bei Rita Valadas auf. Sie steht für slow tourism, also langsames Reisen, im südlichen Alentejo. Vor wenigen Jahren hat sie die Wirtschaft ihrer Großeltern geerbt und drei einfache Ferienhäuser darauf gebaut. Bei der Begrüßung erzählt sie uns von ihren Erlebnissen, von der Geschichte der Umgebung und von ihren Ambitionen als private Reiseleiterin. Von ihrem Zuhause aus erkunden wir die Natur um den See Alqueva. Er ist Europas größter künstlicher See, angelegt, um die Wassersicherheit zu gewährleisten. Die Agrarlandschaft hat sich damit nachhaltig verändert und vor allem der Weinbau boomt.

Talha Wein in zwei Ton-Amphoren

Weinbau

In Vidigueira besuchen wir die Weinkooperative Adega Cooperativa de Vidigueira, Cuba e Alvito. Wir bekommen eine private Führung durch den gesamten Betrieb, unser Guide nimmt sich 2,5 Stunden Zeit, um uns die Gepflogenheiten der Region und der Kooperative ausführlich zu erklären. Dabei hören wir auch spannende Details über das Keltern von Wein in tönernen Amphoren. Eine uralte Tradition, die von den Römern abstammt. Bei unserem Besuch ist es Anfang November und die Weinbaubetriebe sind gerade dabei, sich auf das große Martinifest vorzubereiten. Zu Ehren des Hl. Martin werden immer am 11. November die Amphoren geöffnet und der neue Wein daraus erstmals verkostet. Traditionelle Musik und eine herzhafte Jause aus der Region begleiten die Spektakel bei den Winzer:innen, alle sind eingeladen mitzufeiern. Unsere Führung durch den Weinbau-Betrieb schließt mit einer Verkostung im großzügig gestalteten Gastro-Bereich ab. Neben Wein aus der Amphore, probieren wir auch ein Glas Antão Vaz, die Rebsorte mit dem größten Flächenanteil im Alentejo.

Olivenöl

Bei angenehmen 20 Grad Außentemperatur flanieren wir durch das idyllische Städtchen Moura. Das Bild wird von schmalen Gassen und der alten Festung dominiert. In einem unscheinbar scheinenden Reihenhaus versteckt sich eine der ältesten, noch vollständig erhaltenen Olivenölpressen Portugals. Wir bekommen eine spontane Führung durch die interessante Anlage. Das Leben und die Arbeit waren hart, es musste schwer getragen werden. Das Quetschen der Oliven haben Esel, die ebenfalls in dem kleinen Haus wohnten, übernommen. Zentral im Eingangsbereich wurde ein Brunnen gegraben, um Wasser vorrätig zu haben. Als die Presse in den 1940er Jahren ihre Tore schloss, fiel sie in Vergessenheit. Vor wenigen Jahren wurde das Gebäude von einem privaten Investor übernommen und der Stadt unter der Prämisse, die Ölpresse im Originalzustand zu erhalten, zur Verfügung gestellt.

Regionale Kostbarkeiten

Ein paar Straßenecken weiter liegt die Casa Cavalheiro. Das Delikatessen-Lokal ist das älteste seiner Art in Portugal, erzählt uns Inhaber Manuel stolz. Wir kommunizieren in einer wilden Mischung aus englisch, spanisch und portugiesisch miteinander. Dabei hatte sich seine Frau, die ausgezeichnet französisch spricht, extra Zeit genommen – nur um dann enttäuscht festzustellen, dass wir kein französisch sprechen. Wir verkosten verschiedene Wurst-Produkte aus dem Fleisch des iberischen Schweins, weichen Ziegen- und harten Schafskäse, eingelegte Oliven und leichten Rotwein. Vor allem der Ziegenkäse und die -butter haben es uns angetan und wir können gar nicht genug davon bekommen. Im Hinterzimmer sucht Manuel inzwischen nach der Postkarte von seinem bisher einzigen Urlaub in Österreich. In dem kleinen Geschäft vergeht die Zeit herrlich langsam und wir können uns erst zum Aufbruch durchringen, nachdem wir alle Taschen mit Delikatessen gefüllt haben.

Wild-Safari

Über schmale Landstraßen fahren wir weiter in Richtung westlichem Seeufer. Beim Museu de Medronho, das den Prozess der Schnapsgewinnung aus den Früchten des Erdbeerbaums zeigt, machen wir Halt. Wir sind aber nicht wegen des fruchtigen Geists hier, sondern um auf Safari zu gehen. Wir stellen unser Auto ab und steigen in einen geländegängigen Pick-up Truck um. Zwischen knorrigen Korkeichen führen Hohlwege über das weitläufige Areal. Auf mehr als 280 Hektar leben unter anderem Wildschweine, Rotwild, Mufflons und Esel. Die Tour beginnt sanft in der Ebene und wird auf der Fahrt über die Hügel immer wilder. Wir sind begeistert von der Weite des Geheges, dessen Ende wir auf der einstündigen Fahrt nie sehen. Unterwegs lernen wir über die Lebensweisen und Gewohnheiten der Tiere, Herausforderungen in der täglichen Versorgung und die Bedeutung der Jagd für das Anwesen.

Wertschätzung

Herzliches Danke an Rita für die persönlichen Exkursions-Vorschläge und die Organisation des Programms! Wir haben für uns viel spannenden Input, unter anderem zur authentischen Inwertsetzung der Landwirtschaft und der Entschleunigung in der Programmgestaltung, mitgenommen.

Weinberg in Vidigueira