An einem Frühlingstag Ende Mai machen wir uns auf an die irische Westküste. Im County Mayo zeigen uns Katrin und Matthias ihren neuen Lebensmittelpunkt. Für ein paar Tage erkunden wir die Region auf eigene Faust, bevor wir mit der ganzen Hochzeitsgesellschaft zwei eindrucksvolle Ausflüge unternehmen.

Das County Mayo liegt abseits von ausgetretenen Touristenwegen und auch städtische Zentren gibt es hier kaum. Die ländliche Region ist geprägt von Landwirtschaft. Links und rechts der Straße sehen wir bereits auf der Anreise zahlreiche Felder, auf denen Torf trocknet. In dieser Ecke Irlands ist Torf immer noch das wichtigste Heizmaterial und wird von der Bevölkerung in teils mühsamer Handarbeit selbst gestochen. Mit rund 300 Regentagen im Jahr und der hohen Feuchtigkeit, die der Wind vom offenen Atlantik weit ins Land hinein trägt, sind wir überrascht, dass der Torf im Freien trocknet. Es ist ein ausgeklügeltes System, das sich über Jahrhunderte kaum verändert hat.

Ein Leuchtturm als Außenposten der Zivilisation

Wir machen uns auf um den letzten Außenposten am Festland zu erkunden und besuchen den Leuchtturm Blacksod. Auf einer spannenden und kurzweiligen Führung erzählt uns unser Guide Gerry die faszinierende Geschichte der vier Leuchttürme auf der Halbinsel Belmullet. Wir bewegen uns nur durch zwei Räume, aber in denen halten wir uns gerne für rund 45 Minuten auf. Gerry’s Erzählungen sind auch ein tiefer Einblick in die Familienhistorie. Seine Oma hat im Jahr 1942 die entscheidenden Wetterdaten für die Verschiebung des D-Day um 24 Stunden geliefert. Damals war sie gerade 21 Jahre jung. Wir erfahren von ihm außerdem, wie Leuchttürme betrieben wurden, als es noch keine Elektrizität gab, wie hart das Leben als Leuchtturmwärter für die ganze Familie war und wie es sich dennoch einigermaßen angenehm gestalten ließ. Der Leuchtturm von Blacksod ist weiterhin in Betrieb und heute ein wichtiges Drehkreuz für die irischen Rettungshubschrauber. Von der Kuppel blicken wir hinunter auf das Meer, das mit der Flut gerade wieder landeinwärts schwappt. Die Natur ringt uns viel Respekt für ihre Kraft ab. Trotz aller moderner Hilfsmittel sind die Leuchttürme an der rauen, irischen Westküste immer noch wichtige Navigationshilfen für die Schifffahrt. Den schmalen Grad zwischen vor Ehrfurcht erstarren und sich ergebende Möglichkeiten nutzen vermittelt uns Gerry mit viel Leidenschaft.

Entlang der Küste von Nord nach Süd

Der Leuchtturm Blacksod ist nicht nur einer der letzten Außenposten am irischen Festland, er ist auch ein spannender Halt entlang des Wild Atlantic Way. Die Küstenstraße verläuft über rund 2.600 km von der Inishowen Halbinsel im Norden bis zur malerischen Stadt Kinsale im Süden. Unterwegs ist die Route durchgehend mit dem Logo des Wild Atlantic Way beschildert – immer mit dem Zusatz (N) für Fahrtrichtung Norden oder (S) für Fahrtrichtung Süden. Wir sind begeistert, dass an wirklich jeder noch so kleinen Kreuzung konsequent Schilder aufgestellt sind und die Navigation extrem einfach gelingt. Besondere Haltepunkte sind durch Markierungen mit dem Logo auf gestalteten Eisen-Stangen schon von weitem sichtbar. An jedem Stopp laden Übersichtstafeln dazu ein, mehr über die Verbindung zwischen Landschaft, Bevölkerung und atlantischem Ozean zu erfahren. Das konstante Spiel zwischen Ebbe und Flut tut sein übriges, um erlebte Momente am Wild Atlantic Way einzigartig zu machen.

Die Steinzeit anschaulich ins Jetzt geholt

Wir folgen der Straße Richtung Norden. Entlang der steil abfallenden Klippen grasen Schafe und vereinzelt Kühe. Es geht kurvenreich dahin bis wir bei den Céide Fields ankommen, dem weltweit größten Monument aus der Steinzeit. Die rund 6.000 Jahre zurückreichende Geschichte der hier liegenden Felder, Wohnbereiche und megalithischen Grabstätten zeigt eindrucksvoll den Einfluss des Klimas auf uns Menschen. Bei einer Führung durch das Freigelände wird deutlich wie schnell ertragreiche Landwirtschaft und florierende Wälder Teil der Vergangenheit werden können.

Als sich die Menschen in der Steinzeit hier ansiedelten, lag die Durchschnittstemperatur rund 2 Grad über dem heutigen Niveau. Intensive Regenfälle förderten die rasante Ausbreitung der Sumpflandschaft und aus den sehr guten Bedingungen für die Landwirtschaft wurde eine unwirtliche Gegend. Die Menschen zogen weiter. Kilometerlange Netzwerke aus Steinmauern und zahlreiche zurückgelassene Werkzeuge lagen bis etwa 1930 vergessen unter einer dichten Schicht Erde und wurden nur durch Zufall beim Torf stechen wieder entdeckt. Auf der Führung zeigt unser Guide Sean auch hier eindrucksvoll das Limit der modernen Technik auf: Durch die hohe Feuchtigkeit im Boden ist es für Radar-Geräte unmöglich Mauern oder dergleichen aufzuspüren. Daher wird trotz vielfachem Fortschritt weiter mit der traditionellen Eisenstangen-Methode gearbeitet. Nach dem teils intensiven Regen während der faszinierenden Führung freuen wir uns auf die wärmende Gemüsesuppe im Café des Ausstellungsareals.

Slow Tourism im Nationalpark

Südlich von hier liegt unser nächstes Ziel, das wir nach der Hochzeitszeremonie gemeinsam besuchen: der Wild Nephin Nationalpark. Vor dem Besucherzentrum werden wir herzlich von unserem Guide Michael begrüßt. Er begleitet uns auf einer rund einstündigen Runde über den Tóchar Daithí Bán Trail. Der Weg ist etwa zwei Kilometer lang und so angelegt, dass die Sumpflandschaft für alle zugänglich wird. Unterwegs erklärt uns Michael die Entwicklung der Landschaft. Während Irland früher zu 80% bewaldet war, gibt es in der ganzen Region heute kaum größere Baumgruppen. Die zunehmende Feuchtigkeit im Boden setzte den Wurzeln so zu, dass die Wälder als Ganzes im Moor versanken. An zwei Stellen sehen wir Bäume, die rund 4.000 Jahre alt sind und vollständig konserviert aus dem Moor geborgen wurden. Hilfreicher Zeitrahmen dazu: Als in Ägypten die Pyramiden gebaut wurden, sind hier die Baumstämme versunken.

Der sanft ansteigende Weg führt uns zu einem Aussichtspunkt mit weitem Blick über den Nationalpark, die namensgebenden Nephin-Berge und die Insel Achill. Ein persönliches Gedicht unseres Guides prägt diesen Moment des Innehaltens. Wir gehen weiter und entdecken einen Schatz, der sich zwischen Besucherzentrum, Café und Parkplatz versteckt: ein kleiner Teich, in dem wir selbst käschern dürfen. Michael erklärt ausführlich was sich alles in unseren Netzen zeigt und bringt uns mit Anekdoten zu den kleinen Tieren zum Lachen.

Bevor wir weiterfahren, bekommen wir einen Einblick in die Zukunftspläne des Nationalparks: Ein Weg der Sinne ist gerade im Entstehen, während das gemauerte Planetarium noch Wunschtraum ist. Die Abgeschiedenheit des Orts macht den Nationalpark zu einem international ausgezeichneten Beobachtungspunkt für den Nachthimmel. Alljährlich gibt es ein Nachthimmelfestival im November. Um in dem Zusammenhang der Aufgabe als Wissensvermittler nachzukommen, wurde ein aufblasbares Planetarium angekauft, mit dem in Schulen der Nachthimmel veranschaulicht wird. Der Funke springt über und wir wünschen Michael viel Erfolg für die Umsetzung des fest verankerten Planetariums.

Mit dem Fahrrad am Great Western Greenway

Vom Wild Nephin Nationalpark fahren wir weiter am Wild Atlantic Way Richtung Süden. Unseren nächsten Halt machen wir in Mulranny, um uns die Infrastruktur des bekannten Radwegs Great Western Greenway anzusehen. Die Strecke verläuft von der quirligen Küstenstadt Westport über die Orte Newport und Mulranny bis auf die vorgelagerte Insel Achill, die über eine Brücke mit dem Festland verbunden ist. Rund 50 km Radweg entlang einer aufgelassenen Zugstrecke, immer abseits vom Straßenverkehr. Am ehemaligen Bahnhof in Mulranny sind heute ein Informationszentrum und ein kleines Café untergebracht. Es gibt Fahrrad-Servicestationen, einen Fahrrad-Verleih, saubere Sanitäranlagen und einen Trinkwasser-Brunnen zum Befüllen der eigenen Trinkflaschen. Während wir interessiert spazieren gehen, beobachten wir reges Treiben am Radweg. Gäste aller Altersgruppen sind hier unterwegs. Der Great Western Greenway ist als Wander- und Radstrecke konzipiert, die beinahe durchgehende Asphaltierung kommt aber eindeutig den Zweirädern entgegen.

Im nahe gelegenen Restaurant staunen wir schließlich nicht schlecht als das Abendessen von zwei Robotern aus der Küche direkt an unseren Tisch transportiert wird.

Erfahrung teilen

Der Besuch an der irischen Westküste begeistert uns. Wir sind angetan von der hohen Qualität der geführten Rundgänge und der Menge an Wissen, das in spannenden Geschichten kurzweilig an Besuchergruppen weitergegeben wird. Auf unserer Lernreise waren wir mit drei Generationen unterwegs. Wie spontan und profesionell auf allen besuchten Touren auf die unterschiedlichen Zielgruppen eingegangen wurde, hat uns tief beeindruckt. Das offensichtliche Fachwissen – von der gekonnten Einbindung der Kindergarten-Kinder bis hin zur Beantwortung detaillierter Fragen zur wisschenschaftlichen Technik  – hat uns einmal mehr darin bestärkt, lebenslanges Lernen als Grundpfeiler unserer eigenen Entwicklung zu betrachten. Danke an unsere Gastgeber Katrin und Matthias für die spannenden Tage!